Gefangenenlager
Dülmener Lager
Wenn an heißen Sommertagen über Tausende von Menschen aus der näheren und weiteren Umgebung zu dem Silbersee 2 im Halterner Ortsteil Sythen – Karnickelhausen fahren, wissen die meisten wahrscheinlich nicht, was hier einmal war. Das Kriegsgefangenenlager/Dülmener Lager – es sah aus wie ein kleines Dorf aus einem Italo-Western. Es hatte nur mehr „Einwohner“, nämlich zur Spitzenzeit 9.973 Gefangene, die dort untergebracht waren. Ebenfalls ist dort auch keiner an „Bleivergiftung“ gestorben.
Bereits im Dezember 1914 begann die Firma Kirschner in der Sythener Mark, zwischen Sythen-Lehmbraken und Hausdülmen, direkt am heutigen neuen Silbersee 2, an der Rohrleitungsbrücke (L 551), mit den Bauarbeiten. Auf einer 300 Morgen großen Ausdehnung verlief sie etwa 800 m entlang der Provinzialstraße. Das Gelände aus Sand- und Heidegebiet, das zu den Besitztümern des Herzogs von Croy gehörte. Die Bauarbeiter hatten hier leichtes Spiel. Denn da, wo das Lager entstehen sollte, stand in unmittelbarer Nähe ein Kiefernwald. Die Kiefern wurden abgeholzt und das Holz für Holzbaracken verwendet. Auf dem sandigen Boden wurden gelbliche Backsteine gelegt, die man heute noch zum Teil am Silbersee II finden kann, als ein Fundament einer Grundziegelmauer, auf denen dann die Holzbaracken gebaut wurden. Die „Hauptstraße“ in dem Viertel wurde teilweise auch mit Backsteinen gepflastert und damit diese nicht zur Seite abging, bekam der Weg Randsteine.
Innerhalb eines Monats war das Lager bezugsfertig. Am 21. Januar 1915 trafen die ersten Kriegsgefangenen ein. Franzosen, dann kamen Engländer ins Lager, ca. 100 englische Seeleute, die in der Seeschlacht am Skagerrak von den untergegangenen Schiffen gerettet worden waren. Auch eine Truppe farbiger Kolonialsoldaten zog ein. Die „Möwe“, das Kaperschiff des Grafen Dohna, lieferte 375 Gefangene aus den verschiedensten Nationen ins Lager.“
Die Kriegsgefangenen waren in drei Gruppen untergebracht: Block I war mit Franzosen und Belgiern belegt, in Block II befanden sich Engländer und in Block III hatte man Russen und andere Osteuropäer untergebracht. Einen weiteren Bereich bildete der Lazarettblock im hinteren Teil. Im „Deutschen Lager“ war das Wachbataillon stationiert, ein Landsturm-Infanterie-Ersatzbataillon des VII. Armee-Korps, welches selbst wiederum Teil der in Flandern kämpfenden II. Armee war. Das Lager besaß eine elektrische Zentrale, die auch nachts für Beleuchtung sorgte; ein Pumpenhaus förderte Trinkwasser und eine Feldbahn (deren Gleisanlage heute noch zu sehen ist) besorgte den Transport notwendiger Güter. Für jeden Lagerbereich gab es eine Kapelle, südlich lag ein Sportplatz, ein Theater hatte man für 600 Personen gebaut.
Die Kriegsgefangenen wurden in umliegenden Industriebetrieben, in der Landwirtschaft oder zur Trockenlegung von Moorgebieten eingesetzt. Auch der Herzog von Croy profitierte davon. Den mehrere Hundert Kriegsgefangenen mussten 1000 Morgen nutzbar machen, davon auf 230 Morgen Fischteiche anlegen. Die Gefangenen wurden durchweg gut behandelt. „Die Fürsorge des kunstsinnigen Hauptmanns Koelle (verantwortlicher Bataillonskommandeur und Lagerleiter von Mai bis August 1917) verschaffte den Leuten möglichst anheimelnde Räume, eine gemütliche Kantine, kleine Gärtchen und Anlagen, ein eigenes Musikkorps, das alle Sonntage im Lager Platzmusik machte“, so heißt es in einer Chronik. Für die einzelnen Gruppen gab es Kirchen oder Kapellen mit schönen Fenstermalereien. Ebenso gab es ein Theater, eine Bibliothek und Möglichkeiten, sich sportlich zu betätigen.
Im November 1918 wurde das Kriegsgefangenenlager „Dülmen“ aufgelöst, bis März 1920 wurde es als Heimkehrerlager für ehemals deutsche Kriegsgefangene benutzt. Zwei Jahre später, im Mai 1922, ging das Gelände an den Herzog zurück. Die Holzbaracken wurden bis auf eine, die heute noch an der L551 steht und bewohnbar ist, abgerissen. Auch wurden der Brunnen und die Betonfiguren (Soldatenköpfe) stehen gelassen. Leider sind diese Teile in den 90er Jahren verschwunden. Heute sind nur noch die eine Hütte und der Gedenkstein Zeugen der Vergangenheit.

Unten ein paar von über 100 Privat Fotos.












